Persönlicher Kommentar
Merz oder Kant?
Jetzt haben wir also wieder eine Debatte über „deutsche Leitkultur“. Friedrich Merz wollte es so und ich sage: Warum nicht? Über Ziele und Maximen lohnt es sich doch immer zu debattieren. Freilich leben wir in einer modernen, pluralistischen und freiheitlich-demokratischen Gesellschaft und nicht mehr in starren ständischen, feudalen oder klerikalen „Ordnungen“. Deshalb ist es mit der Leitkultur heute auch gar nicht so leicht…
Würde die CDU sagen, das Grundgesetz in seinen gemäß Artikel 79,3 unveränderlichen Teilen (das sind die Grundsätze der Artikel 1 und 20) ist die deutsche Leitkultur, dann wäre alles unproblematisch. Die Herren Merz und Linnemann, Spahn und Kretschmer wollen aber mehr. Sie haben vor, allerlei heimatliche Traditionen in die Leitkultur hineinzupacken. Da besteht schnell die Gefahr, dass das Konzept zu Ausgrenzungen führt: Wer bestimmte Verhaltensmaximen für sich ablehnt (Schweinswürstl, Porsche und Fliegerei) und andere bevorzugt (Gemüsestrudel, Lastenrad und Balkonurlaub) – gehört der oder die dann noch dazu?
Mein Vorschlag zur Güte:
Wir könnten uns wohl alle schnell darauf einigen, den Wertekanon des Grundgesetzes in Kombination mit Kants „kategorischem Imperativ“ als „deutsche Leitkultur“ auszurufen. Natürlich müsste das Konzept in leichtes heutiges Deutsch übersetzt werden. Hier nur ein Versuch: „Nimm das Grundgesetz ernst, handle danach und prüfe alles was du tun willst, ob es sich als Vorbild für alle anderen eignet.“ Und zur Klarstellung das Original von Kant: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“
Bei dieser Gelegenheit sei an den Vorschlag von Hans Jonas für eine aktuelle Leitlinie erinnert: „Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“ Das ist dann aber ein Anspruch, zu dem mich die Meinung der CDU-Granden interessieren würde…
Wichtiger Hinweis:
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