14. Juli 2021- Bilanz der Flutwasserkatastrophe in der Eifel und im Ahrtal
Die meteorologische Ausgangslage
In der Eifelregion herrschen vorwiegend Westwindlagen. Bei einem nur langsam ziehenden Tiefdruckgebiet kann es so zu anhaltendem Starkregen in der Region kommen. Bei der Hochwasserkatastrophe kam es auf Grund einer Blockade zwischen einem von Westen heranziehendem Tiefdruckgebiet mit einem östlich davon stehenden Hochdruckgebiet zu einem sprichwörtlichen Auswringen der Wolken, welches den extremen und anhaltenden Starkregen zur Folge hatte.
Die geologisch - topographische Ausgangslage
Der geologische Untergrund besteht in der Eifel überwiegend aus tonmineralführenden Sandsteinen, die fast kein Wasser aufnehmen können. Steile Täler führen zu einem raschen Abfließen des Niederschlagwassers, welches bei starken Niederschlägen die Gefahr von Hochwasser dramatisch verstärkt.
Fehlplanungen und -Entscheidungen in der Vergangenheit
Durch die innerhalb der in den letzten 100 Jahren durch Menschenhand vollzogenen, massiven Eingriffe in die natürliche Umwelt der Region, potenzierte sich die Gefahr für eine aus Starkregen resultierenden Hochwassersituation. Hierzu zählen die Flurbereinigung, Begradigungen von Fließgewässern, Verlust von Hecken, Rodung alter Laubwälder und Ersatz durch Fichtenmonokulturen zum Zweck intensiver Forstwirtschaft, Entfernung von natürlicher Uferbepflanzung, Degradierung des Bodens durch Monokulturen u.a. intensiver Maisanbau und Überdüngung (Reduzierung des Humusanteils), Anlegen von vertikalen Entwässerungsrinnen im Weinbau, Wegfall von Terrassen und die Versiegelung von Sickerflächen und Auen. All diese Maßnahmen haben zu einer starken Reduzierung der Wasseraufnahmefähigkeit des Bodens geführt und zusätzlich zu einer potentiellen Beschleunigung des Wasserabflusses ins Tal und Erosion bei Starkregen. Durch die Bebauung der Täler und Verengung der Flussbetten kommt es durch Reibungsreduktion damit zu erhöhter Fließgeschwindigkeit der Gewässer. Die Folge daraus ist ein schnellerer Anstieg der Pegel bei Starkregen und somit zu extremen Hochwasserlagen.
Versagen der hoheitlichen Träger
Bereits einige Tage vor dem Ereignis wurden Bundes- und Landesbehörden durch das EFAS (Europäisches Hochwasser Warnsystem) über die bevorstehende Katastrophe informiert. Bis zum eigentlichen Ereigniseintritt gingen weitere 25 Meldungen der EFAS ein, die immer präziser hinsichtlich der Hotspots wurden. Diese Meldungen wurden allerdings nur sehr oberflächlich wahrgenommen und viel zu spät oder gar nicht an die lokalen Entscheidungsträger weitergeleitet. Hierin liegt ein eklatantes Versagen auf ministerialer Ebene. Die Tatsache, dass bereits 48 Std. vor dem Ereignis hätte alarmiert werden können, hätte bei Umsetzung voraussichtlich den Verlust von 180 Menschenleben, sowie einen beachtlichen Verlust von Sachwerten verhindert. Als Fazit sollten die hoheitlichen Träger, an erster Stelle der Bundesinnenminister und die Innenminister der betroffenen Länder, die Verantwortung für ihre Versäumnisse und Fehlverhalten übernehmen.
Auswirkungen dieses Versagens
Durch das Nichtweiterleiten der entsprechenden Informationen mit den daraus resultierenden Maßnahmen verloren im Ereignisverlauf 180 Menschen ihr Leben, 766 wurden verletzt, und es entstanden Schäden in Höhe von ca. 30 Milliarden Euro. Desweiteren führte das langjährige Versagen in den Bereichen Landschaftsplanung und Gewässerschutz sowie Katastrophenprävention und -management zur weitestgehenden Zerstörung der gesamten Infrastruktur der betroffenen Gebiete und fordert von den öffentlichen Haushalten zusätzlich ca. 200 Milliarden Euro.
Gesellschaft des Miteinanders
Das alles führte zu der extremen Katastrophe. In dieser Situation wurde aber auch der gesellschaftliche Zusammenhalt deutlich. Auch wenn alle Einsatzkräfte und Helfer sich einer maßlosen Überforderung stellen mussten, zeigte sich, wie leistungsfähig und hilfreich die Hilfs- und Katastrophenschutzorganisationen wirken. In einer so noch kaum da gewesenen Zusammenarbeit von Katastrophenschutz, von Einheiten der Bundeswehr und der Polizei mit Tausenden privater Helfer wurde in den letzten Wochen unglaubliches geleistet.
Mögliche Präventionsmaßnahmen
Renaturierung
Die bereits eingeleiteten Maßnahmen zur Renaturierung der Fließgewässer müssen überarbeitet und mit Hochdruck vorangetrieben werden. Hier muss unter allen Umständen intensiv das weitläufige Einzugsgebiet der Fließgewässer betrachtet werden, da dies direkten Einfluss auf die Täler bei Starkregenereignissen hat; so muss z.B. die Wasserrückhaltefähigkeit der Böden wieder hergestellt werden.
Hier sei im Besonderen auf das Hochwasserschutzkonzept der ÖDP hingewiesen.
Kommunikation zwischen EFAS, DWD und den Ländern / Kreisen
In der Kommunikation zwischen den verantwortlichen Behörden und Einrichtungen ist folgender Weg zu implementieren:
Die EFAS und der DWD stimmen sich unter Hinzuziehung der Gefahrenabwehrpläne für Kreise und Kommunen (diese werden bisher auf Landesebene erstellt) mit dem Bundesamt für Katastrophenschutz ab. Dieses gibt eine entsprechende Empfehlung an den Bundesinnenminister, welcher hierzu einen algorithmischen Maßnahmenkatalog aktiviert.
Katastrophen- und Bevölkerungsschutz
Hinsichtlich einer erneuten Hochwasserkatastrophe müssen die Meldungen zukünftig äußerst ernst genommen und die entsprechenden Maßnahmen unmittelbar eingeleitet werden. Darüber hinaus muss schnellstmöglich die Reaktivierung des ehemaligen Katastrophenschutzsystems, inklusive der Reaktivierung des Katastrophenalarms, erfolgen, d.h., unmittelbar bei Bekanntwerden einer drohenden Gefahr erfolgt in den potentiell betroffenen Gebieten eine Sirenenalarmierung. 5 Minuten nach der Alarmierung erfolgt eine mündliche Warnmeldung über alle Radiokanäle. Hierzu wird das aktuelle Programm unterbrochen, und die entsprechende Warnmeldung mit den zu ergreifenden Maßnahmen wird abgesetzt. Diese Warnmeldung wird zusätzlich über die Verkehrsfunkmeldungen und in den laufenden Nachrichtensendungen bis zur Entwarnung publiziert. Alle im betroffenen Bereich eingeloggten Mobilfunkgeräte erhalten eine Warnmeldung.
Parallel werden überregionale Einsatzhundertschaften der Polizei in Marsch gesetzt, welche die öffentliche Sicherheit in den betroffenen Gebieten sicherstellen. Ferner werden Feuerwehren und sonstige Hilfeleistungsorganisationen in Alarmbereitschaft versetzt, um bei einer weiteren Zuspitzung der Lage die Evakuierung der Bevölkerung und Sicherung von Sachwerten zu unterstützen.
Die ÖDP fordert:
- die Errichtung eines Sozialfonds für Katastrophenhilfe,
- die flächendeckende Wiedereinführung des Katastrophenalarmes als analoges Pendant zu bereits bestehenden Warnapps und geplanter SMS-Warnungen,
- den klimaneutralen Wiederaufbau der betroffenen Gebiete mit fachlicher Beratung für Kommunen und betroffene Bürger,
- Rückbau aller negativen Eingriffe in den Wasserhaushalt,
- die Stärkung der Kompetenzen für das „Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe“ sowie der „Landesämter für Zivilschutz“ und deren Weisungsbefugnis gegenüber den Städten und Landkreisen,
- als Redundanz ist der BOS-Analogfunk, welcher bei einem Ausfall des Digitalnetzes noch funktioniert, weiterhin zu erhalten und ggf. auszubauen.